Warum wir eine sozial-ökologische Transformation brauchen
Früher war der Schwefeldioxidausstoß sehr viel höher als heute und die Wasserqualität der Flüsse sehr viel schlechter. In den 1960er und 1970er Jahren war es so schlimm, dass auf den Flüssen zum Teil riesige Schaumberge trieben und in vielen Gebieten Deutschlands die Wäsche rußig wurde, wenn sie zum Trocknen draußen hing. Durch den jahrelangen hohen Ausstoß wurde der Wald sogar so stark geschädigt, dass er in den 1980er Jahren abzusterben drohte. Diese Probleme haben wir heute weitgehend im Griff.
Der Schwefeldioxidausstoß ist mittlerweile um über 90 Prozent zurückgegangen und auch die Wasserqualität der Flüsse ist deutlich besser. Diese Besserungen wurden durch verschiedene Maßnahmen erreicht. Ein Beispiel ist die andere Zusammensetzung der Waschmittel. Die Hauptursache waren aber sogenannte „End-of-pipe Maßnahmen“.
End-of-pipe Maßnahmen sind z. B. der Bau einer Kläranlage am Ende einer Kanalisation oder der Einbau von Filtern in Kohlekraftwerken, um die Schadstoffe aus den Abgasen herauszufiltern. Die Durchsetzung dieser technischen Maßnahmen haben wir der Umweltbewegung zu verdanken. Ein großer Erfolg!
Die Umweltbewegung an sich ist allerdings deutlich älter. Sie ist schon vor über 100 Jahren entstanden. Gründe waren Auseinandersetzungen um den Erhalt schöner oder besonderer Naturdenkmäler, einzelner Landschaftsbilder oder auch bereits ganzer Gebiete. Ein Beispiel für ein solches Gebiet in Bayern ist der Königssee in der Nähe von Berchtesgaden. Zunächst wurde es ein Schutzgebiet, heute ist es der 2. Nationalpark in Bayern.
Heute stehen wir erneut vor einer umfassenden Herausforderung. Sie ist sogar deutlich umfassender, als die vorher genannten Beispiele. Es geht um die Senkung unseres CO2 Ausstoßes um mehr als 95% und damit der sozialökologischen Transformation unserer Gesellschaft und Industrie. Dieses Mal können wir nicht einfach einen weiteren Filter an die Kohlekraftwerke bauen. Dieses Mal ersetzen wir die Kohlekraftwerke komplett. Und zwar durch erneuerbare Energien.
Diese Transformation ist nicht nur eine gigantische gesellschaftliche Aufgabe, sondern auch ein gigantisches industrielles Projekt, denn es geht nicht allein um die Energieerzeugung. Es geht ganz allgemein um industrielle Prozesse, wie die Stahlherstellung oder die Grundprodukte der Chemieindustrie. Bei der Transformation dieser Industrien reicht es nicht darum, etwas effizienter zu werden und dabei 10 oder 20 % Prozent CO2 einzusparen. Es geht um einen kompletten Umstieg und eine CO2-Einsparung von über 95%!
Die gute Nachricht: Wir wissen, dass das mit grünem Wasserstoff möglich ist.
Die schlechte Nachricht: Wir wissen auch, dass diese tiefgreifenden Änderungen nicht reichen werden.
Es braucht weitere Maßnahmen für die sozialökologische Transformation. Zu diesen Maßnahmen gehören die Eindämmung der Finanzmarktspekulation und auch die Änderung unseres eigenen Verhaltens. Ein Beispiel dafür ist unser Fleischkonsum. Als Gesellschaft verzehren wir momentan durchschnittlich so viel Fleisch, dass wir einen zweiten Planeten bräuchten, wenn alle Menschen so viel Fleisch essen würden wie wir.
Versteht mich bitte nicht falsch! Es ist mir egal, wie viel Fleisch ein Mensch individuell isst. Mir geht es um das System. Zur Verdeutlichung: unsere jetzige Tierhaltung benötigt pro erzeugter Kalorieneinheit ein Vielfaches der Fläche. Wir werden also nicht drum herumkommen unseren durchschnittlichen Fleischkonsum zu reduzieren.
Die Maßnahmen der ersten und zweiten Phase der Umwelt- und Naturschutzbewegung waren unglaublich erfolgreich und haben sehr viel erreicht, doch es ist auch deutlich: Wir müssen noch weiter arbeiten. In Bayern bräuchte es beispielsweise zum Erhalt der Artenvielfalt noch weitere Nationalparks und wenn ich an die Verschmutzung unserer Gewässer und Meere mit Plastikmüll denke, wird offensichtlich, dass wir auch hier noch viel zu tun haben.
Ich bin aber trotzdem optimistisch, dass wir die sozialökologische Transformation unserer Gesellschaft schaffen. Und zwar aus drei Gründen:
- unser unglaubliches naturwissenschaftliches Wissen
- unsere technischen Fähigkeiten
- und unsere soziale Innovationskraft.
All das ermöglicht es uns an die vergangenen Erfolge der Natur- und Umweltbewegung anzuknüpfen