6. November 2025 | Berlin

Warum Politiker Fragen ausweichen

Haben Sie in der letzten Zeit mal eine Talkshow zum Thema Ukraine gesehen? Man kann dort häufig ein rhetorisches Manöver beobachten: Die meisten demokratischen Politiker (und mit demokratisch meine ich keine Vertreter der AfD) weichen folgender Frage aus: Sollen deutsche Soldaten, im Falle eines Waffenstillstands, diesen in der Ukraine sichern, wenn andere europäische Länder auch Truppen stellen?

Viele meiner Kolleginnen und Kollegen befürchten, dass ihre Aussagen verzerrt und verhetzt werden. Dass die AfD und andere Verbündete Putins behaupten werden, dass Deutschland direkt in den Krieg verwickelt werden soll. Journalisten und Journalistinnen wiederum merken, dass sie keine klare Aussage bekommen und fragen immer weiter nach. So dreht sich die Debatte immer weiter. Bürgerinnen und Bürger wiederum spüren, dass hier eine Antwort vermieden werden soll.

Das Problem ist: Aus Angst vor Verzerrung werden eigentlich notwendige politische Entscheidungen nicht ehrlich kommuniziert oder gar nicht erst getroffen. So war es bei der Schuldenbremse, so ist es bei der Klimakrise. Wenn die notwendigen Entscheidungen schließlich fallen, kommen sie für die Bürger oft sehr überraschend. Übrigens oft selbst für viele aktive Politiker: Viele Aktive sowohl Abgeordnete als auch Ehrenamtliche in der Union haben wirklich geglaubt, dass Merz auch nach der Wahl an der Schuldenbremse festhalten wird.

Dabei ist die Sache oft gar nicht so kompliziert: Ohne schwere negative Konsequenzen kann in vielen Fällen kaum anders entschieden werden kann. Zurück zu unserem Ausgangsbeispiel: Wenn es wirklich zu einem Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine kommt und im Anschluss eine Reihe europäische Staaten bereit sind, diesen Waffenstillstand mit eigenen Truppen abzusichern, ist es schwer denkbar, dass das wirtschaftlich stärkste Land Europas sich aus der Verantwortung stiehlt.

Im konkreten Fall der Ukraine ginge es um die Absicherung eines Waffenstillstands, der zwischen Russland und der Ukraine ausgehandelt wurde. Das ist etwas völlig anderes als die aktive Unterstützung der Ukraine im Krieg mit Soldaten. Aus Angst vor Verhetzungskampagnen wird aber seit Wochen dieser ungute Tanz um das Unaussprechliche geführt.

Notwendig wäre, dass der Kanzler und der Verteidigungsminister das Selbstverständliche aussprechen – und dann noch hinzufügen, dass das natürlich vorbereitet werden wird, sobald eine Chance besteht, dass es wirklich zu einem Waffenstillstand kommt.

Was uns zu einer viel dringlicheren Frage führt: Wie kommen wir zu einem Waffenstillstand. Dieser ist leider allen Debatten zum Trotz momentan sehr unwahrscheinlich. Die Ukraine und ihre Unterstützer fordern seit langem einen Waffenstillstand – mittlerweile hat sich auch selbst US-Präsident Trump der Forderung angeschlossen. Auch wenn es hierzulande einige nicht wahrhaben wollen: Es ist Russland, dass keinen Waffenstillstand will und sämtliche diplomatischen Initiativen abblockt und oder mit Maximalforderungen unmöglich macht.

Das Kernproblem ist: Solange das Regime Putin glaubt, dass es den Krieg gewinnen kann, wird es den Krieg nicht beenden. Putin hat weiter ein großes Interesse seinen Angriffskrieg fortzusetzen. Er hat mithilfe des Krieges seine Herrschaft weiter stabilisiert und aus einer Autokratie mit noch gewissen Möglichkeiten für Widerstand und Opposition eine Diktatur mit faschistischen Zügen gemacht. Er hat die Wirtschaft komplett auf Kriegswirtschaft umgebaut und hält den Westen für schwach und verweichlicht. Russland setzt darauf, sich langfristig durchzusetzen, die Ukraine und weitere frühere Staaten der Sowjetunion zu kontrollieren, die NATO und die EU zu zerschlagen und im Zuge dessen die vorherrschende Macht auf dem europäischen Kontinent zu werden.

Deshalb ist es existenziell, dafür zu sorgen, dass die Ukraine militärisch, aber auch humanitär und finanziell, so stark unterstützt wird, dass die russische Armee keine Geländegewinne mehr erzielt, sondern zurückgedrängt wird. Und es ist extrem wichtig, die Sanktionen insbesondere im Energiebereich so zu verschärfen, dass Russland weitere Einnahmen verliert. Dafür müssen wir die russische Schattenflotte ausbremsen, endlich Sanktionen gegen den russischen Nuklearsektor verhängen und dürfen keine fossilen russischen Rohstoffe mehr kaufen. Um die finanziellen Belastungen für die Menschen in der EU zu senken, müssen endlich die über 200 Milliarden russisches Vermögen, das in Europa liegt, beschlagnahmt und zur Unterstützung der Ukraine eingesetzt werden.