14. April 2023 | Berlin

Sanktioniert Rosatom!

Gemeinsam mit der ukrainischen Abgeordneten Inna Sovsun fordere ich strenge Atomsanktionen gegen Russland.

Dieser Gastbeitrag ist am 8. April 2023 auf der Internetseite der Tageszeitung WELT erschienen.

Vor zwei Wochen hat der russische Präsident Putin angekündigt, in Belarus Atomwaffen zu stationieren. Bis zum 1. Juli sollen die Lager im Nachbarland fertig gestellt sein, zehn Trägerflugzeuge sind dort bereits stationiert. Auch taktische Marschflugkörper wurden schon verlegt. Putin verfolgt mit diesem Vorgehen ein klares Ziel. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar letzten Jahres setzt der Kreml seine Atomwaffen ein, um die europäischen Staaten einzuschüchtern und sie davon abzuhalten, die Ukraine ausreichend militärisch zu unterstützen.

Viel konkreter spielt Russland auf dem Territorium der Ukraine mit der atomaren Gefahr. Russische Streitkräfte halten das größte Atomkraftwerk Europas in Saporischschja seit einem Jahr besetzt. Immer wieder wird von Kampfhandlungen in der Nähe des Kraftwerks berichtet, die russische Armee hat militärisches Gerät auf dem Gelände des Kraftwerks stationiert. Die Internationale Atomenergiebehörde berichtet von einem Militärlager in den Turbinenhallen der Gebäude der Blöcke 1 und 2.

Eine wesentliche Rolle bei der Besatzung spielt Rosatom. Der Staatskonzern untersteht direkt der russischen Regierung, hat mit seinen Partnerfirmen die Leitung des Kraftwerks übernommen und ist für den Anschluss ans russische Stromnetz verantwortlich. Das Unternehmen profitiert damit selbst vom verbrecherischen Angriffskrieg.

Gleichzeitig macht Rosatom weiterhin lukrative Geschäfte mit EU-Staaten. Denn nicht nur in der Ukraine stehen Atomkraftwerke aus den Zeiten des Kalten Krieges. Auch in einigen europäischen Ländern laufen noch alte sowjetische Reaktoren mit Brennstäben von Rosatom. Und in Ungarn baut der russische Staatskonzern sogar zwei neue AKWs.

Während es den allermeisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelungen ist, sich innerhalb eines Jahres von russischem Gas, Öl und Kohle zu lösen, ist man noch immer stark von russischen Atomimporten abhängig. Rund 20 Prozent des Urans stammen aus Russland. Ohne große öffentliche Beachtung wurden seit Februar 2022 mehrfach Brennstäbe mit Sonderflügen aus Russland in die Europäische Union gebracht.

Russland hat einen Weltmarktanteil von 46 Prozent an der Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen. Die Atomindustrie verhilft dem russischen Staatshaushalt weiterhin zu kontinuierlichen Einnahmen und füllt somit auch die Kriegskasse. Es ist daher höchste Zeit, dass sich Europa gemeinsam mit den G7 auch im Atombereich unabhängig von Russland machen. Solange Staaten auf eine Zusammenarbeit mit Rosatom setzen, sind sie erpressbar. Deshalb muss das nächste Sanktionspaket auch Rosatom mit einschließen.

Neben persönlichen Sanktionen gegen Rosatom-Manager, die sich in den Betrieb ukrainischer Kernkraftwerke einmischen und die nukleare Sicherheit Europas gefährden, sollten alle zwischenstaatlichen Vereinbarungen und Forschungsprojekte mit Rosatom beendet werden. Geschäftliche Beziehungen mit Rosatom müssen untersagt sein. Bereits jetzt sollten die EU- und G7-Staaten eine Taskforce mit Regierungs- und Parlamentsvertretern einsetzen, um den Ausstieg aus der Zusammenarbeit mit Rosatom vorzubereiten.

Mit wirksamen Atomsanktionen würde zudem ein Schlupfloch geschlossen, durch das die russische Rüstungsindustrie bislang westliche Sanktionen umgehen konnte. Russland setzt Rosatom und seine Tochtergesellschaften als Zwischenhändler ein. So werden Lithium-Ionen-Batterien für Panzer, Raketenabwehrsysteme und andere Rüstungsgüter, 3D-Drucktechnologie und chemische Verbindungen, die in der Flugzeug- und Raketentechnik verwendet werden, nach Russland eingeführt. In einer Ansprache an Rosatom im Dezember 2022 lobte Wladimir Putin den enormen Beitrag zur Entwicklung der neuesten Waffensysteme und militärischen Ausrüstung und deren Einsatz im Kampf.

Dass man sich auch in Krisenzeiten unabhängig von russischen Atomimporten machen kann, hat die Ukraine bewiesen. Im Gegensatz zu einigen EU-Staaten bezieht die Ukraine keinerlei Brennstäbe mehr aus Russland. Wo ein politischer Wille ist, da ist auch ein Weg. Und bis man beispielsweise auf Erneuerbare Energien umgestellt hat, gibt es Alternativen. Australien, Kasachstan und Kanada verfügen über größere Uranvorkommen als Russland. Gleichzeitig nutzen Länder wie Frankreich die eigenen Möglichkeiten zur Wiederaufarbeitung nicht aus, weil Russland mit niedrigen Preisen den Markt beherrscht.

Nächste Woche wird in Deutschland endgültig das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet. Doch andere Staaten setzen weiterhin auf Atomkraft. Daher ist es umso wichtiger, dass sich die Bundesregierung bei unseren europäischen Nachbarn mit aller Kraft dafür einsetzt, dass zumindest die Brennstäbe nicht mehr aus Russland kommen. Gemeinsam haben wir in Europa gezeigt, wie man sich innerhalb kürzester Zeit unabhängig von russischem Gas, Öl und Kohle macht. Jetzt sollten wir uns gemeinsam dabei unterstützen, uns von russischer Atomkraft zu lösen.

Nach Monaten des Leugnens hat mittlerweile selbst Wladimir Putin eingestanden, dass die westlichen Sanktionen wirken. Wir sind überzeugt, für den Kreml muss der Preis den Krieg fortzuführen weiter steigen. Es braucht harte Sanktionen, die insbesondere die russische Rüstungsindustrie treffen, sowie ausreichende Waffenlieferungen an die Ukraine. Erst dann erkennt Putin, dass er diesen Krieg nicht gewinnen kann und ein echter Frieden für die Ukraine, und damit auch für Europa, wird möglich.