29. Juni 2023 | Berlin

„Manfred Weber – verantwortlich dafür, dass die Union in Europa mit der AfD gemeinsame Sache macht“

Gemeinsamer Beitrag von Jutta Paulus, MdEP und Dr. Anton Hofreiter, MdB

In Deutschland versichern Friedrich Merz und Markus Söder unermüdlich, dass die Union keine gemeinsame Sache mit der AfD machen will. Auch Sachsens Ministerpräsident Kretschmer hat sich kürzlich wieder deutlich gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgesprochen. Von der deutschen Öffentlichkeit weitestgehend unbemerkt, hat derweil der CSU-Mann Manfred Weber die Brandmauer nach Rechts längst eingerissen. Als Chef der Europäischen Volkspartei befeuert er den Rechtsruck Europas und Klimakrise und Artensterben gleich mit.

Weber, der trotz seiner Rolle als konservativer Spitzenkandidat bei den Europawahlen 2019 hinter Ursula von der Leyen zurückstehen musste, zementiert gerade seine rechte Anti-Green Deal Koalition gegen zentrale Gesetze des Arbeitsprogramms der Kommissionspräsidentin. Damit betreibt er eine brandgefährliche Politik auf Kosten europäischer Grundwerte und unserer Überlebensgrundlagen. 

Dieser neue Politikstil ist ein Vorgeschmack auf ein drohendes Szenario nach der Europawahl: eine Koalition aus Konservativen, Rechtspopulisten und Rechtsextremen. Dass Postfaschisten und Rechtsextreme von ihrer europäischen Mutterpartei salonfähig gemacht werden, muss Friedrich Merz und Markus Söder nun zum Handeln bringen. Sie müssen die Brandmauer gegen rechts auf europäischer Ebene wieder hochziehen und Manfred Weber in seine Schranken weisen.

Webers Strategie kann momentan am Abstimmungsdrama um ein zentrales Gesetz des Green Deal verfolgt werden. Eine von der Europäischen Volkspartei (EVP) auf einem kleinen Parteitag veröffentlichte Abschussliste fordert die „Rücknahme“ mehrerer Gesetzesvorschläge des Green Deal, etwa des ‚Gesetzes zur Wiederherstellung der Natur‘. Mit diesem will die EU zerstörte Lebensräume renaturieren, um Klima- und Artenschutzziele zu erreichen und die Überlebensgrundlagen – trinkbares Wasser, saubere Luft, fruchtbare Böden – sicherzustellen. 

Eine intakte Natur und Renaturierungen fordert auch das frisch beschlossene CSU-Grundsatzprogramm. Trotzdem kommt es seit dem EVP-Beschluss es zu einer beispiellosen Sabotage des dafür nötigen EU-Gesetzgebungsprozesses. Verhandlungen werden nach Monaten urplötzlich abgebrochen und allen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fakten zum Trotz Verfahren blockiert. Im Europäischen Parlament, das anders als ein von Regierung und Opposition geprägtes nationales Parlament von sachlichen Verhandlungen und breit getragenen Kompromissen lebt, ist das ein ungeheuerlicher, die europäische Gesetzgebung lähmender Vorgang.

Die europäische Wirtschaft ist angesichts der irrationalen Blockadehaltung alarmiert. Zahlreiche Unternehmen und Verbände sprachen sich öffentlich für das Renaturierungsgesetz aus. Dazu gehört das Windenergieunternehmen Wind Europe, der Outdoor-Ausstatter Patagonia aber auch des radikalen Umweltschutzes unverdächtige Akteure wie Unilever, Nestlé und Coca-Cola. Ohne Natur gibt es keine Wirtschaft, deshalb warnt auch EZB-Vorstandsmitglied Frank Elderson vor der ungebremsten Naturzerstörung. Es gehe hier nicht um „Flower-Power“ oder das „Umarmen von Bäumen“, sondern um grundlegende Ökonomie.

Am 20.06. sprachen sich schließlich die EU-Umweltminister im Rat der Mitgliedstaaten sprachen sich mehrheitlich für das Gesetz aus, darunter vier Umweltminister aus der Parteienfamilie der EVP. Der Widerspruch überrascht nicht, denn im Gegensatz zu Manfred Weber müssen sie politische und gesellschaftliche Verantwortung für die Zukunft einer halben Milliarde Europäerinnen und Europäer übernehmen. EU-Politik ist letztendlich immer auch Bundes- und Kommunalpolitik. Wenn die Union in Brüssel bei Klima- und Artenschutz auf der Bremse steht, hat das Folgen für Deutschland. 

In vielen europäischen Ländern gibt es bereits einen deutlichen Ruck nach Rechtsaußen. Italien hat eine postfaschistische Ministerpräsidentin, in Finnland regieren Nationalisten und Euroskeptiker mit und auch Spanien droht im Juli eine Koalition mit Rechtsaußen. Hinzu kommen EU-Mitgliedstaaten wie Polen und Ungarn, die wiederholt Rechtstaatlichkeit und Grundrechte verletzen. Das ist die Gemengelage in Europa ein Jahr vor den Europawahlen. 

Die Verantwortung Deutschlands in Europa hängt nicht allein vom Kanzleramt ab. Wenn CDU und CSU die rechten Umtriebe ihres europäischen Chefs weiter tolerieren, beteiligen sie sich am gefährlichen Rechtsruck eines ganzen Kontinents. Wer zu Hause vorgibt, mit den Rechten nichts am Hut zu haben, darf ein Paktieren auf EU-Ebene nicht zulassen.