19. August 2021 |

Die Wirtschaft klima­neutral umbauen

Wenn wir die Klimakrise in den Griff bekommen wollen, muss unsere Industrie klimaneutral werden. Das stellt uns vor Herausforderungen. Denn für eine CO2-freie Produktion, braucht die Industrie große Mengen an Strom aus Erneuerbaren Energien. Aus diesem Grund habe ich mir vergangene Woche angeschaut, wie es in unserem Land um Energieerzeugung (Wind und Solar), Energieumwandlung (Elektrolyseure), Energieübertragung (Netze) und Energiespeicherung (Batterien) steht.

Dafür bin ich in sechs Bundesländer gefahren (Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt) und habe mit Unternehmensführungen und Betriebsräten darüber gesprochen, welche gesetzgeberischen Maßnahmen nötig sind.

Wie bauen wir die Industrie klimaneutral um, erhalten bestehende Arbeitsplätze und schaffen gleichzeitig möglichst viele neue Jobs? Das ist die entscheidende Frage.

Bereits im letzten Jahr hatte ich große Industriebetriebe wie Thyssenkrupp und Evonik besucht. Dabei habe ich gesehen, dass die großen Unternehmen längst in den Startlöchern stehen. Sie wollen neue Produktionsanlagen mit neuer, sauberer Technologie bauen – was fehlt, sind die richtigen politischen Weichenstellungen und allem voran ausreichend Strom aus Erneuerbaren Energien.

 

 

In Hamburg habe ich den Grünen Senator Jens Kerstan getroffen, der mir gezeigt hat, wie es gehen kann. Hier ist die Gas-, Wasser- und Wärmeversorgung in kommunaler Hand. Hamburg Energie produziert regionale, erneuerbare Energie in insgesamt 84 Anlagen auf dem gesamten Stadtgebiet. Der Energiebunker auf dem Foto ist einer davon. Gasnetz Hamburg – ebenfalls ein kommunales Unternehmen der Hansestadt – plant momentan ein Wasserstoffnetz mit 60 km Leitungslänge, um Industrie und Gewerbe mit grünem Wasserstoff zu versorgen.

 

 

Die Erneuerbaren Energien können ein echter Job-Motor sein. Wenn man es anders anpackt als CDU, CSU und SPD. Obwohl wir in Deutschland auf einen massiven Ausbau der Windenergie angewiesen sind, gingen in den letzten Jahren 60.000 Arbeitsplätze in der Windindustrie verloren. Gemeinsam mit der IG Metall Küste habe ich den Forschungswindpark in Hamburg-Bergedorf besucht. Der Windpark ist Teil des Norddeutschen Reallabors, das den Umbau unseres Energiesystems erprobt.

Einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten aber auch die Offshore-Windparks in der Ostsee. Offshore-Windenergie ist in den letzten Jahren deutlich günstiger geworden, die Verfahren und die Technik werden immer besser. Doch wie kommt der Strom vom Meer in unser Stromnetz? Das habe ich mir bei 50Hertz in Lubmin angeschaut.

 

 

Übertragungsnetzbetreiber wie 50Hertz sorgen dafür, dass der Strom dort ankommt, wo er gebraucht wird. Der Vorstandsvorsitzende Stefan Kapferer erzählt mir hier im Umspannwerk, wie 50Hertz bis zum Jahr 2032 auf 100 Prozent Erneuerbare Energien kommen will. Um dieses ehrgeizige Ziel zu schaffen, braucht es zusätzliche Flächen für die Windkraft in der Ostsee und einen zügigeren Netzausbau durch schnellere Planungsverfahren.

In Weesow-Willmersdorf habe ich den größten Solarpark Deutschlands besichtigt. Die Solarpanels hier können 50.000 Haushalte mit Strom versorgen. Der Solarpark wird von EnBW betrieben und kommt komplett ohne EEG-Förderung aus. Das zeigt, Sonnenstrom ist hochrentabel. Was mir hier besonders gefällt, ist, dass Natur- und Artenschutz beim Betrieb der Anlage mitgedacht wurden.

 

 

Wie speichern wir den Strom aus Wind und Sonne? Dafür hat ein junges Unternehmen aus Jena eine Lösung entwickelt. JenaBatteries baut Batteriespeicher, die ohne Schwermetalle und aggressive Säuren auskommt. Der stationäre Speicher kann überschüssigen Strom direkt an Solar- und Windkraftanlagen zwischenspeichern. Der Batteriespeicher hilft außerdem als Zwischenspeicher bei der Produktion von grünem Wasserstoff.

Die Nachfrage nach Batterien wird in den kommenden Jahren gewaltig steigen: In der E-Mobilität, bei den stationären Speichern und in der Unterhaltungselektronik. Das ist eine Riesenchance auf Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Deutschland und Europa.

In Leipzig habe ich Birgit Dietze und Bernd Kruppa von der IG Metall getroffen. Wir haben uns über die Arbeitsplätze im Bereich Klimaschutz unterhalten und über die Herausforderungen, die der Umbau der Wirtschaft mit sich bringt. Für mich ist wichtig, dass neue und alte Beschäftigungsverhältnisse tarifgebunden und mitbestimmt sind. Der Qualifizierung und der Umschulung kommt beim klimaneutralen Umbau der Wirtschaft eine entscheidende Rolle zu.

Wir müssen neue Jobs schaffen und so viele Arbeitsplätze wie möglich sichern. Hierfür brauchen wir das Qualifizierungs-Kurzarbeitergeld.

Zum Abschluss meiner Tour war ich in Bitterfeld-Wolfen bei Meyer Burger zu Besuch. Hier werden Solarzellen produziert. Solarzellenproduktion in Deutschland? Ja – nachdem mittlerweile fast die gesamte weltweite Produktion aus China kommt, hat sich in Sachsen-Anhalt ein Unternehmen auf den Weg gemacht, wieder in Deutschland zu produzieren.

 

 

Die Auftragslage ist gut, die Hochleistungszellen sind nachhaltig und die Zahl der Beschäftigten soll von heute 400 auf 3.500 im Jahr 2027 wachsen. Laut Meyer Burger verspricht die Wiederbelebung der europäischen Solarindustrie die Schaffung von mehr als 100.000 nachhaltigen Arbeitsplätzen entlang der Wertschöpfungskette.

Was nehme ich mit von dieser Woche:

  • Klimaschutz kann ein riesiges Jobprogramm sein. Alle Unternehmen, die ich auf meiner Reise besucht habe, suchen händeringend nach Fachkräften. Einer McKinsey-Studie zufolge kann die Strategie für Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 zusätzlich fünf Millionen neue Arbeitsplätze in Europa bringen. Wenn wir klimaneutrale Produktion erreichen, ist das ein Exportmodell.
  • Unternehmen brauchen Planungssicherheit. Dafür schlagen wir sogenannte Klimaschutzverträge vor – mit ihnen können Unternehmen in klimaneutrale Produkte und Prozesse investieren, weil wir eine verlässliche Unterstützung garantieren.
  • Wir brauchen massive Investitionen in die Energienetze und eine Infrastruktur für grünen Wasserstoff, Investitionen in die energetische Gebäudesanierung, in die Verkehrswende. Das IW Köln hat unlängst festgestellt, dass Investitionen in grüne Technologien langfristig günstiger sind, als diese weiter aufzuschieben. Es ist also nachhaltig, jetzt massiv zu investieren. Deshalb schlagen wir eine über 10 Jahre laufende, 500 Milliarden Euro umfassende, kreditfinanzierte Investitionsoffensive des Bundes vor.
  • Wenn wir die Wind- und Solarenergie in Europa massiv ausbauen, werden wir unabhängiger von Energieimporten aus Ländern wie Russland oder den Golfstaaten
  • Zu guter Letzt müssen wir die Planungen beschleunigen und die Bürgerbeteiligung an den Anfang des Prozesses stellen. Das steigert die Akzeptanz und das Tempo der Energiewende.
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